OLG Stuttgart – Angabe einer nicht existierenden Person im Anhörungsbogen
Im vorliegenden Fall wollte der Angeklagte einem Fahrverbot entgehen und beauftragte eine unbekannt gebliebene Person, die die Angaben im Anhörungsbogen übernahm. Damit erreichte er, dass die Bußgeldbehörde ihn innerhalb der Verjährungsfrist nicht mehr belangen konnte. Welchen Straftatbestand hat der Angeklagte nun erfüllt?
Der Sachverhalt
Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, er habe die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h um 58 km/h überschritten. Für diese Verkehrsordnungswidrigkeit ist eine Regelgeldbuße von 480 Euro und ein Regelfahrverbot von einem Monat vorgesehen.
Das für die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit zuständige Landratsamt sandte dem Angeklagten einen Anhörungsbogen zu. Der Angeklagte wollte verhindern, wegen der Ordnungswidrigkeit belangt zu werden. Er wandte sich deshalb an eine unbekannt gebliebene Person, die damit warb: „Ich übernehme Ihre Punkte und Ihr Fahrverbot für Sie“.
Gemäß der mit dieser Person getroffenen Absprache ließ der Angeklagte ihr per E-Mail das Anhörungsschreiben der Bußgeldbehörde zukommen und überwies ihr im Gegenzug 1.000 Euro auf ein Schweizer Bankkonto. Im weiteren Verlauf füllte eine andere Person als der Angeklagte den Anhörungsbogen handschriftlich aus, gab den Verstoß zu und erklärte, sie sei der zur Tatzeit verantwortliche Fahrer, wobei sie den Namen einer tatsächlich nicht existenten Person unter einer Karlsruher Adresse angab.
Daraufhin erließ das Landratsamt gegen die in Wirklichkeit nicht existierende Person einen Bußgeldbescheid und stellte zugleich das Verfahren gegen den Angeklagten ein. Bis das Landratsamt von der Polizei in Karlsruhe erfuhr, dass es eine Person mit den angegebenen Personalien tatsächlich nicht gibt, war bereits Verfolgungsverjährung hinsichtlich der vom Angeklagten begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit eingetreten, so dass er deshalb endgültig nicht mehr belangt werden konnte.
Nachdem das Amtsgericht Reutlingen den Angeklagten in erster Instanz wegen falscher Verdächtigung verurteilt hatte, hat das Landgericht Tübingen (Urteil, Az. 24 Ns 24 Js 23198/16) den Angeklagten in der Berufungsinstanz aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Das OLG Stuttgart hat den Freispruch bestätigt, weil das festgestellte Verhalten des Angeklagten keinen Straftatbestand erfüllt.
Die Entscheidung
Das OLG Stuttgart hat den Freispruch bestätigt, weil das festgestellte Verhalten des Angeklagten keinen Straftatbestand erfüllt. Der Angeklagte hat sich nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht wegen falscher Verdächtigung gemäß § 164 Abs. 2 des Strafgesetzbuchs (StGB) strafbar gemacht.
Keine falsche Verdächtigung
Er habe diesen Tatbestand deshalb nicht verwirklicht, weil er die falsche Behauptung nicht in Bezug auf eine andere tatsächlich existierende Person aufgestellt hat. „Ein anderer“, wie ihn § 164 Abs. 2 StGB voraussetzt – so entscheid der Senat bei einer Auslegung nach Wortsinn, Systematik, Zweck des Gesetzes und Historie – muss eine tatsächlich existierende Person sein.
- 164 StGB schütze neben der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege im weiteren Sinne vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme auch den Einzelnen vor ungerechtfertigten Verfahren und anderen Maßnahmen irregeführter Behörden. Grenze richterlicher Auslegung zu Ungunsten des Täters sei allerdings wegen des grundgesetzlich verankerten Analogieverbots der mögliche Wortsinn der Norm.
Auch die historische Auslegung der Norm ergebe, dass der Gesetzgeber in § 164 StGB nur die falsche Verdächtigung einer bestimmten existierenden Person unter Strafe stellen wollte; gerade deswegen wurde § 145d StGB (Vortäuschen einer Straftat) als eine bewusste Reaktion des Normgebers auf die „Strafbarkeitslücke“ des § 164 StGB ausdrücklich auch in Bezug auf das Verdächtigen einer nicht existenten oder nicht bestimmbaren Person geschaffen, aber eben nur hinsichtlich einer Straftat und nicht wie hier bezüglich einer Ordnungswidrigkeit.
Es kommen auch keine anderen Straftatbestände in Betracht
Der Senat hat schließlich noch überprüft, ob der Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen andere Straftatbestände verwirklicht hat, dies im Ergebnis allerdings verneint. Es kamen weder eine Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB noch eine Beteiligung an einem Vortäuschen einer Straftat (§ 145d Abs. 2 StGB) oder an einer Strafvereitelung (§ 258 Abs. 1 StGB) in Betracht.
Der Angeklagte hat sich auch nicht wegen versuchter mittelbarer Falschbeurkundung nach § 271 Abs. 1, 4, §§ 22, 23 StGB strafbar gemacht, indem er eine falsche Eintragung der Ordnungswidrigkeit im Fahreignungsregister herbeiführen wollte, denn das vom Kraftfahrt-Bundesamt geführte Fahreignungsregister ist kein öffentliches Register im Sinne der Norm.
Der Angeklagte war schließlich auch nicht wegen einer Ordnungswidrigkeit der Beteiligung an einer vorsätzlichen falschen Namensangabe nach § 111 Abs. 1, § 14 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) zu belangen. Insoweit war jedenfalls das von Amts wegen auch im Revisionsverfahren zu berücksichtigende Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 OWiG eingetreten.
Dass solche Manipulationen im Bußgeldverfahren oftmals nicht geahndet werden können und dadurch letztlich die Verkehrssicherheit leidet, kann – so die Vorsitzende am Schluss ihrer Urteilsbegründung – nur der Gesetzgeber ändern, indem er eine entsprechende Straf- oder Bußgeldvorschrift schafft.
Gericht:
Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 20.02.2018 – 4 Rv 25 Ss 982/17